Bildung von morgen
ist inklusive Bildung

Kirstenmalzwei

Ein Gastbeitrag von  Kirsten Ehrhardt und Kirsten Jakob („Kirstenmalzwei“)

Bildung von morgen ist inklusive Bildung. Daran gibt es für uns keinen Zweifel. Denn eigentlich muss Bildung von heute schon inklusive Bildung sein. 2019 ist es 10 – in Worten: zehn – Jahre her, seit in Deutschland die UN-Behindertenrechtkonvention gilt. Eigentlich.

Inklusive Bildung ist viel mehr als: „Da dürfen ein paar arme Behinderte dann eben mitlernen“. Inklusive Bildung heißt, endlich zu verstehen und danach zu handeln, alle Schüler individuell in den Blick zu nehmen, mit ihren Stärken und ihrer Unterschiedlichkeit. Aber nicht dafür, sie dann sogleich wieder in vermeintlich homogene Gruppen aufzuteilen. Denn solche Gruppen gibt es nicht. Sie sind ein Märchen. Ein immer weiter tradiertes Märchen vor allem deutscher Bildungspolitik. Es geht um „angemessene Vorkehrungen“ – ein Wort der UN-BRK -, damit alle gut lernen. Wirklich alle.

Umgang ist Heterogenität ist DIE Herausforderung unseres Jahrhunderts. In der Wirtschaft spricht man oft von Diversität. Unternehmen leben von dieser Vielfalt – von verschiedenen Nationalitäten, verschiedenen Typen, verschiedenen Stärken, verschiedenen Sozialisationen ihrer Mitarbeiter und erleben all dies längst nicht mehr als Bedrohung. Das deutsche Schulsystem bereitet darauf aber so schlecht vor wie kein anderes auf der ganzen Welt.

Denn unser Schulsystem ist Ausdruck des Ständesystems eines vergangenen Jahrhunderts. Dreigliedrig offiziell, inoffiziell vielgliedrig, weil alle die Schüler, die nicht in einer der drei Haupt-Schubladen passen, in weitere Schubladen aussortiert werden. Wir haben kein Schulsystem. Wir haben ein Ab-Schulsystem. Und der wesentliche Motor ist nicht Motivation, sondern Angst. Die Angst vor dem Abstieg. „Alle Kinder mitnehmen. Keins verlieren.“ Wenn wir so einen Satz hören, bleibt uns das Lachen im Hals stecken. Wir verlieren so viele Kinder. Auch viele Kinder ohne Behinderung.

Inklusion macht mit diesem Denken Schluss. Deshalb ist Inklusion letztlich etwas Revolutionäres für ein reaktionäres System. Sie enthält die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Veränderung. Und das in einer Zeit, in der viele lieber nach hinten gucken. Die einen träumen von einer ausländerfreien „Volksgemeinschaft“. Die anderen sehnen sich zurück nach Frontalunterricht und Feuerzangenbowle. Für andere scheint es das wichtigste politische Ziel zu sein, dass die Gören wieder ordentliche Rechtschreibung beherrschen.

Mit der Wirklichkeit und den realen gesellschaftlichen Anforderungen hat all das nichts zu tun. Es kommt aber gut an, an den Stammtischen dieser Republik. Und es sind allesamt Ausweichmanöver, um nicht hinschauen zu müssen, dass sich Deutschland mit seinem überholten Bildungssystem längst international ins Abseits manövriert hat.

Ins Abseits auch damit, was den Umgang mit Menschen mit Behinderung angeht. Ach, war das schön, als die alle noch in Sonderschulen waren! Und jetzt wollen die ja noch nicht mal mehr später in die Behindertenwerkstätten… Dabei könnte, wenn man es wollte und zuließe, etwas ganz anderes wachsen. Etwas, wie in unserer Blog-Geschichte „Götter“: Kinder wachsen von Anfang an gemeinsam auf. Sie lernen sich kennen. Und sie lernen sich zu verstehen und zu akzeptieren.

Das ist Bildung von morgen für eine Gesellschaft für morgen. Nicht für eine von vorgestern.

„Zwischen Inklusion und Nixklusion“ – Jeden Montag eine neue Geschichte hier:

Blog: www.kirstenmalzwei.blogspot.de
Twitter: @KirstenKirsten

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